Berlin

11.01.2019 - 09.02.2019

SHOOTING STAR – Benedikt Braun

Ort
EIGENHEIM Berlin, Kantstraße 28, 10623 Berlin Charlottenburg
Eröffnung
11.01.2019 um 19 Uhr
Dauer
11.01. – 09.02.2019

Informationen

Den automatischen Gegenstand annehmen – die Hand um den Gegenstand schließen – die richtige Haltung finden – die Richtung festlegen – das Ziel anpeilen – und jetzt zieh den Abzug; Dann der Knall und kurz darauf die Stille. Direkt oder auch nach und nach treten die Konsequenzen immer klarer in Erscheinung.


Diese Dramaturgie kann abhängig machen, sowohl als aktiv Ausführender als auch als passiver Zeuge – Bang! , Bang!. Auch ist die Klimax aus Kontrolle, Machtausübung, Gewalt, Kontrollverlust und unentrinnbarer Konsequenz sehr charakteristisch für das humane Beieinandersein und hat die Menschen und ihre Geschichte(n) wesentlich geprägt. Jedem Leser ist es so bereits klar, worum es hier geht. Ja, es dreht sich um den Schuss. Und dieser Vorgang schließt einiges mit ein: den Schützen, das Ziel, die Waffe, den Grund und die Folgen.

Benedikt Brauns künstlerische Arbeit ist bekannt dafür, dass sie die Betrachter dahin führt, wo es insgeheim so interessant wird, dass es weh tut: Mit Verve an die Ränder und in die Tabuzonen der Gesellschaft. Bereiche, die meist verkniffen übersehen werden oder mit Nachdruck verdrängt, also exzentrisch bis verbotene Sexualpraktiken, Politik ohne Moral, Geldmachen ohne Hemmungen und Unterschichten-Habitus bis an die Schmerzgrenze jeder*n Bildungsbürgers*in (pc). Dort steht man dann, schwertragend an einem Strauß voller Wortspiele, einer unordentlichen Portion Witz und zahllosen Assoziationen. Und jetzt fallen auch noch Schüsse. Ja, Benedikt Braun wählt dieses Mal das hohe Drama des Schießens, mit eigens konstruierten Schieß-Maschinen, ausgelöst durch die Besucher und den Künstler höchstpersönlich. Bei der neuen Soloausstellung Shooting Star finden sich die Galeriebesucher mittendrin im projektilen Drama, ob als Zeuge oder als Täter, jedoch niemals als Opfer.

Der Vorgang des Schusses hat durch seine dramatische Brillanz und schicksalshafte Schwere seit jeher schöpferische Menschen zum bildnerischen Ausdruck inspiriert. Von Jagdszenen mit Pfeil und Bogen in den Höhlenmalereien bei Valencia, den Darstellungen von Bogenschützen auf Streitwägen im antiken Ägypten und Assyrien über mit Pfeil und Bogen bewehrte Figuren auf griechischer Töpferware, über zahlreiche Schlachtgemälde in Öl bis hin zu Francisco de Goyas monumentalen Werk Die Erschießung der Aufständischen (1814) hinein in die heranbrechende Moderne, die Motivik des Schusses lässt sich durch die gesamte Kunstgeschichte verfolgen.

Diese Entwicklung setzt sich auch im vergangenen Jahrhundert fort, speziell im Bereich des Fotojournalismus sind einige Aufnahmen aus den schweren Konfliktherden des 20igsten Jahrhunderts förmlich zu global wirksamen Bild-Ikonen geworden. So haben sich beispielsweise Robert Capas Loyalistischer Soldat im Moment seines Todes (1936) aus dem Spanischen Bürgerkrieg oder die spontane Hinrichtung eines Vietcong durch den Polizeichef von Saigon, aufgenommen von Eddie Adams (1968) im Vietnamkrieg, im Gedächtnis von Generationen eingeprägt, die öffentliche Wahrnehmung des Krieg verändert und auch das kollektive Nachbild dieser Kriege beeinflusst. In der Nachkriegszeit führten auch Künstler*innen wie Niki Saint Phalle mit ihren Schießbildern, Chris Burden als selbst angeschossener Künstler in Shoot (1971), Marina Abramovic und Ulay mit gespanntem Bogen in Rest Energy (1980), Anish Kapoor mit der Arbeit Shooting the Corner (2008- 2009), Douglas Gordon mit In the Stillness (2013) oder Nasan Tur mit First Shot (2014) den kulturellen Diskurs über das Phänomen weiter, bis in die aktuelle Gegenwart hinein.

Benedikt Braun geht jetzt in seiner Soloausstellung SHOOTING STAR direkt zurück an den Nullpunkt des Geschehens. Denn die gezeigten Installationen bei EIGENHEIM Berlin sind zunächst einmal keine Repräsentationen eines Schussvorgangs, in welchem Medium auch immer. Nein, die Installationen sind die scharfen Schussanlagen selbst. Diese sind geladen und werden live ausgelöst. In Betrieb führen sie also echte Varianten des Schusses vor, jede Installation ihre eigene Variante und zwar direkt vor Ort in den Galerieräumen. Im Endeffekt fliegen diverse Arten von Geschossen durch die Ausstellung. Die Mechanik, der Druck, das Geräusch und die Energie teilen sich unverfälscht und ungefiltert mit.
Der zweite tragende Aspekt der Ausstellung sind die Objekte, welche dem Beschuss ausgesetzt sind. Was kann man und wie bzw. wie lange sollte man überhaupt etwas beschießen? Wie wirken sich die Einschläge auf Aussehen und Beschaffenheit der getroffenen Dinge aus? Wie viel teilen sie noch von dem Geschehenden mit? Liegt sogar ein ästhetischer Reiz in der Authentizität des Schades bei den getroffenen Dingen? Bürgt also Beschädigt-Sein für eine spezifische Form von Einmaligkeit, für eine besondere Schönheit? Denn das Einschlagen des Schadens lässt sich nicht wiederholen, daher ist das Getroffene danach unter Garantie einzigartig. Die getroffenen Objekte werden ebenfalls ausgestellt. So erfahren die Betrachter unmittelbar beides: die Aktion und ihre Resultate. Und eventuell die Faszination an dem Ganzen. In gewisser Hinsicht schließt sich gerade in diesen klaren Versuchsanordnungen der Kreis. Benedikt Braun reduziert das Phänomen Schuss wieder auf das Wesentliche, allein das wird die Beteiligten an ihre Grenzen führen. Kunst und Realität fallen jetzt und hier zusammen, bzw. sie treffen sich direkt im Knall.

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