Weimar

17.02.2024 - 30.03.2024
TAGE IN TEHERAN
Malerei und Zeichnung von Adam Noack


Ort EIGENHEIM Weimar, Asbachstraße 1
im historischen Gärtnerhaus des Weimarhallenparks

Eröffnung 17.02.2024 um 19 Uhr
Dauer 17.02. – 30.03.2024

Informationen

Adam Noack – 123 Tage in Teheran

Adam Noack besuchte den Iran erstmals im Januar 2018. Er folgte der Einladung des KAAF-Instituts, einer gemeinnützigen Kunstinstitution im Norden Teherans, die im Herbst 2013 gegründet wurde und Pionierarbeit für experimentelle Kunst im Iran leistet, den internationalen Künstleraustausch und die Umsetzung von Projekten im Iran fördert. Nach eigener Aussage ist KAAF „entschlossen, die Kluft zwischen den soziokulturellen Trends im Iran und denen in der Außenwelt zu überbrücken“.

Während seines ersten achtwöchigen Aufenthalts zog Adam Noack durch Teheran, wanderte in die nahen Berge und unternahm Reisen nach Isfahan und Kaschan. Ihn begleiteten Papier und Pastellkreiden, Fineliner und kleine Blöcke, die in seine Hemdtasche passen. Schwerlich zu übersehen war der große Blonde mit seiner Feldstaffelei dort in Teheran. Und wie schon in mitteldeutschen Kneipen, IT - Firmen, bei Schweineschlachtungen oder Querdenkerdemos macht Noack die Erfahrung, dass eine Staffelei die Menschen zugänglicher macht, als wenn man eine Kamera auf sie richtet. Zeichnen stellt auch im Regierungsviertel Teherans kein Problem dar, ist weniger aggressiv.

Adam Noack ist ein guter Beobachter. Er kann Menschen in ihren Lebenssituationen aus der Distanz erspüren. Menschen zu beobachten, verschafft ein Gefühl für den Rhythmus der Gesellschaft, in der man sich bewegt. Beobachten ist meist eine Erkenntnistätigkeit, die erste Stufe einer jeden Wissenschaft. Es verlangt die Zurückhaltung der eigenen Urteile und der eigenen Präsenz.  
Noack gelingt ein Balanceakt: Er ist Chronist und trotzdem stellen seine Abbildungen des Hier und Jetzt die Frage nach der Konstruiertheit kultureller Prägungen.

Zurück in Deutschland sah sich Noack konfrontiert mit Fragen nach der politischen Situation des Iran und einem von westeuropäischen Medien geprägten Bildes. und er wird nicht müde zu betonen, dass er dort Menschen getroffen hat, die ihren Alltag bestreiten und ein kleines Stück vom Glück haben wollen wie jeder andere auch.

Trotz der ihm widerfahrenen Gastfreundschaft fand sich Noack in einer, der fremden Sprache und Kultur geschuldeten Isolation wieder, die ihn auf sich selbst zurückwarf. Doch Adam Noack gelingt es, seinem pragmatischen Naturell entsprechend, diese Isolation durch das Beobachten, das Zeichnen und die Malerei, zu brechen.

Er vermag in einem Strich die Last der Welt, die auf den Schultern einer beobachteten Person lastet, darzustellen. Man kennt diese Personen plötzlich, ist ihnen rührend nah. Als Betrachter wird einem klar, dass dieses Fremde, das man nur aus den Medien kennt und das einem Angst macht, gar nicht so fremd ist. Man sieht und man spürt, dass sich  Adam Noack beim Malen die fremde Situation vertraut gemacht hat.  Und so hilft Adam Noack auch dem Betrachter, Distanz zu überwinden. Das Kunstwerk erweitert den Ausschnitt an Möglichkeiten, den der Rezipient nutzen kann. Gesehen haben mag man seine Szenen schon öfters zuvor, aber wahrgenommen hat man sie nicht. Äußerliches offenbart Inneres. Das Gemälde von der Fremde kann unbekannte gesellschaftliche Konstrukte erfahrbar machen und das „Andere“ in uns selbst repräsentieren.

Im Atelier des KAAF Instituts entstanden mit den auf Basaren erworbenen Pigmenten großformatige Gemälde. Sie sind immer noch dort. Denn auch bei seinen Besuchen im Januar 2019 und August 2022 in dem von Inflation und Unruhen gebeutelten Land ergab sich keine Möglichkeit zum Transport der Bilder nach Deutschland.  

Zurück in Leipzig beginnt Adam Noack, ausgehend von seinen Eindrücken und Skizzen zu malen. Das in der Fremde Erlebte in seinem gewohnten Alltag nachzuempfinden, zwingt Noack zu einer Art doppelten Reflexion. Eine doppelte Reflexion auch für diejenigen, die ihre Alltagssituationen von einem Fremden in der Fremde dargestellt, betrachten.

Der Alltag hat der Wahrnehmung so manches entzogen. Wenn man sich aber in der Fremde befindet, sind die Sinne geschärft. Der Alltag derer, die man in der Fremde trifft, erscheint spannend. Der fremde Beobachter ist spannend für die, die sich im Alltäglichen befinden. Dieses Wechselspiel zwischen dem, was fremd erscheint und alltäglich ist, diese doppelte Fremdartigkeit verbindet: In dieser Wechselwirkung steckt die Chance eines „Bewusst - Werdens“. Minus und Minus ergibt Plus.

„Jedem einzelnen ist das eigene Selbst zur Hauptbürde geworden. Sich selbst kennenzulernen ist zu einem Zweck geworden, ist nicht länger Mittel, die Welt kennenzulernen.“ (1)

Durch den medial gelenkten Blick und das Fehlen kulturellen Austauschs ist die Begegnung mit dem Fremden, dem Anderen, unheimlich geworden. Die Verbannung des Fremden führt zu einem Ungleichgewicht bei der Seinswerdung, lässt Wahrnehmung verkümmern. Der Mensch ist sich selbst unheimlich geworden.

Ist man jedoch auf Reisen wird Alltägliches - eine vorm Kopierer stehende Frau, Leute in einer Runde, eine befahrene Strasse - plötzlich interessant. Man sieht alle diese Dinge in der Fremde zum ersten Mal.

Wenns ums Zeichnen geht, muss man eigentlich nur hinsehen.
Dann kann man etwas einfangen, indem man es frei lässt. (Text: Hannah Becker)

(1) Aus: Sennett, Richard (1986): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt a.M., Orig.1974, S. 16

Informationen


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