Der Frühling steht in den Startlöchern, die Tage werden länger, die
Winde milder – was liegt da näher als eine Ausstellung, die sich mit
der künstlerischen Praxis des Pleinair auseinandersetzt. Der Begriff
Pleinair (aus dem Französischen: en plein air: „im Freien“) , auch
Hellmalerei genannt, bedeutet, dass sich die Künstler:innen unter freiem
Himmel, in der Natur aufhalten und dort ihre Kunst produzieren. Der
Begriff und die Bewegung entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts in der
Absicht eine Abgrenzung zu den in Ateliers geschaffenen Gemälden zu
ziehen. Natur soll nicht Kulisse, sondern Motiv sein, welches der
Künstler nicht nur sieht, er riecht es, er spürt es, er ist mittendrin
und ermöglicht dem Betrachter seines Werks somit ein Eintauchen, ein
Genesen. Der damals revolutionäre Akt, inmitten der Landschaft zu malen,
ist heute zum Klischee verkommen, einem Bild einer Person mit Strohhut
an einer Staffelei inmitten blühender Felder. Es übt nach wie vor einen
Reiz aus und wird mit Freigeistigkeit assoziiert - marketingstrategische
Verwendung verwundert daher nicht.
Dennoch: Sich „ins Freie“ zu
begeben, ist ein Allheilmittel. Heutzutage mehr denn je. Der so
werbewirksame „Einklang mit der Natur“ lässt sich aber vielleicht auch
auf dem Supermarktparkplatz finden und manchmal sind sehnsuchttragende
Wolken die Auswürfe eines Kohlekraftwerks in Lippendorf.
Intention
dieser Ausstellung ist es, den Blick auf den Begriff zu erweitern -
mittels Medien wie Fotografie, Objekt, Installation und Interventionen
im öffentlichen Raum . Pleinair entstandene Zeichnungen von Michael
Eppler, der urbane Nicht-Orte wie Parkplätze und Wege entlang von
Fernwärmerohren als Motive für seine Freiluftmalerei wählt, sind in der
Ausstellung AIR BETWEEN THE LIGHT einen Blick entfernt von Frederik
Foerts achtzehn Meter hohen aufblasbaren Skulptur mit Schaukel, die
„Once upon a Time in the West“ heißt. Benedikt Brauns Humor lässt uns
anhand seiner Installationen verschiebbare Grenzen und Schranken
menschlicher Unabhängigkeit erleben. Installationen Theresa Rothes
verweisen auf die „Luft“, die Distanz und Nähe zwischen dem Selbst und
einem Gegenüber. Nina Röder inszeniert in ihren Fotografien Menschen mit
Fundstücken aus der Natur in einem Strudel aus Verlorengehen und
Wiederfinden. Die Objekte Peter Pieks wollen sich finden lassen und
laden zu einem Spaziergang in den, die Galerie umgebenden Park ein. Dort
wird Adrian Mudder auf seinem Telefon zeichnen und die in wenigen
Strichen eingefangenen Situationen auf einem Bildschirm neben seinen
naiv anmutenden Acrylmalereien ausstellen. Auch Andreas Hachullas
Arbeiten sind auf dem Telefon entstanden. In einer intimen
Halböffentlichkeit bilden seine "digital drawings" ein Milieu zwischen
Berghain und U-Bahnstation ab.
Handgemacht und unüblich
großformatig für ein Freiluftgemälde ist die Malerei von Adam Noack,
welche in einer Scheune bei Weimar entstanden ist. Der Wolkenmaler Lars
Wild, der ab Mai in einer Einzelausstellung in der Galerie Eigenheim
Weimar zu sehen sein wird, greift aus den dunkelsten Sphären malerisch
nach dem Licht. Anhand von Wolken erzählt auch Julia Scorna. Vom Inneren
und dem Heiligen, und dem, was wir in der Weite finden und in der Weite
finden wollen. Konstantin Bayers Video- und Soundinstallation greift
das malerische Motiv der Wolke auf und erzählt anhand einer Nahaufnahme
eines Kohlekraftwerks von der alltäglichen Ambivalenz zwischen Schönheit
und Niedergang. Mit Nadine Kolodziey interaktiven AR (Augmented
Reality) Arbeiten bewegen wir uns am weitesten in die multimediale
Begriffserweiterung des Pleinair. Ein banaler QR-Code nimmt uns mit auf
einen Frühlingsspaziergang.
Weimar
06.04.2024 - 11.05.2024AIR BETWEEN THE LIGHT
zeitgenössisch-multimediale Zugänge zum Begriff Plein Air
Dauer 06.04. - 11.05.2024
Vernissage 06.04.2024 ab 19 Uhr
Ort EIGENHEIM Weimar, Gärtnerhaus des Weimarhallenpark, Asbachstraße 1 in 99423 Weimar
teilnehmende Künstler*innen
Adam Noack, Adrian Mudder, Andreas Hachulla, Benedikt Braun, Frederik Foert, Julia Scorna, Konstantin Bayer,
Lars Wild,
Michael Eppler,
Nadine Kolodziey,
Peter Piek,
Theresa Rothe
Informationen
Die Zusammenstellung der Künstler und
Werke ist eine Kooperation zwischen der Kuratorin Hannah Becker aus
Leipzig und EIGENHEIM Weimar/Berlin. Die Ausstellung ist Bestandteil
unseres Themenschwerpunktes 2024 „Die Kunst ist eine Tochter der
Freiheit“ gefördert von der Kulturstiftung des Freisstaates Thüringen sowie der Stadt Weimar.