Gabriele Stötzer ist eine der beeindruckendsten Künstlerinnen unserer 
deutsch-deutschen Gegenwart. Ihre multimediale, interdisziplinäre 
Arbeitsweise, darunter Malerei, Fotografie, Film, Performance und Mode, 
Fotobücher und vor allem das Schreiben, widersetzte sich den 
unterdrückenden Machtverhältnissen der DDR Diktatur, lehnt sich auf 
gegen das Patriarchat und erforscht körperliche wie kollektive Zustände 
und ist so Zeugnis eines unermüdlichen Prozesses des Hinterfragens der 
eigenen wie gesellschaftlichen Situation. Anlässlich des Europäischen 
Monats der Fotografie (EMOP) organisierte EIGENHEIM Weimar/Berlin 
zusammen mit den beiden Künstlerinnen Paula Gehrmann & Gabriele 
Stötzer die Ausstellung Werk und Fortsetzung. Paula Gehrmann 
entwickelte bereits 2019, ausgehend von ihrer eigenen künstlerischen 
Praxis, eine Rauminstallationen, für das Ausstellungs-, Forschungs- und 
Vermittlungsprojekt in drei Teilen Bewußtes Unvermögen – Das Archiv Gabriele Stötzer, in der GfzK Leipzig. Bewußtes Unvermögen – Das Archiv Gabriele Stötzer
 war ein begehbares Archiv, welches die künstlerische Praxis der 
Künstlerin im Kontext der DDR in den 1980er Jahren aufzeigte und zu 
einer aktiven Auseinandersetzung damit einlud.
Die Ausstellung Werk & Fortsetzung
 zeigt nun eine Auswahl von fotografischen wie filmischen Arbeiten 
Stötzers aus den 80iger Jahren und stellt diese neuen, auf der damaligen
 künstlerischen Praxis aufbauenden, Werkserien gegenüber. So hat 
Stötzer, während Ihres diesjährigen Künstlerinnen Residenz der Cordts 
Art Foundation in Schwanenwerder, die Fotoserien Abwicklung von
 1982 neu interpretiert, ihre historischen Fotografien zur Grundlage 
neuer zeichnerischer Übermalungen verwendet, und mit der Arbeit Verbrecherfotos
 eine umfangreiche neue Arbeit begonnen, welche sich an die Bildästhetik
 von Portraits aus Stasi Akten oder Polizeiabbildungen anlehnt. Über 
dies hinaus sind eine Vielzahl historischer Werkgruppen für die 
Ausstellung zusammengestellt worden.
Diese aktuellen wie 
historischen Werkgruppen gehen mit der, durch eine Fotografie der 
Gegenwart und raumgreifenden Interventionen zwischen Skulptur und 
funktionalem Display bestimmten, künstlerischen Praxis von Paula 
Gehrmann einen Dialog ein. Die reduzierten Aluminium-Holz und 
Glaskonstruktionen werden im erweiterten Sinne einer „Assistenz“ in-situ
 durch die Künstlerin eingesetzt und bilden eigene künstlerische und 
begehbare Räume. Auch für Werk und Fortsetzung konzipiert Gehrmann eine 
ganz individuelle Rahmung und geht auf die einzelnen Werkgruppen 
Stötzers ein, trägt, schützt, und befragt sie, lässt uns in besonderer 
Weise an die Arbeiten Stötzers herantreten. Eine Unmittelbarkeit 
beschreibt auch das fotografische Werks Gehrmanns. Einen direkten 
Einblick in das private Leben und die künstlerische Praxis der 
Künstlerin ermöglichen uns ihre umfangreichen und bildgewaltigen, 
dokumentarisch angelegten Fototagebüchern. Gezeigt wird ein Auszug Ihres
 Archivs 2019 bis 2020. In Form der Fototagbücher wurden auch die 
Besuche, die in Vorbereitung auf die letzten Ausstellungen in Leipzig 
unternommen wurden, festgehalten und auf diese Weise der Zusammenarbeit 
der beiden Künstlerinnen ein Denkmal der Gegenwart gesetzt. 
Dies
 ist gerade deshalb so spannend da „für Gabriele Stötzer die Fotografie 
stets in direkter Verbindung zu ihrer Person und ihrem Leben stand und 
sich letztendlich wie in einem Transformationsprozess aus dem Schreiben 
heraus entwickelt hat, erst sprach- dann bildgewaltig: »Ich habe das 
Fotografieren bewußt entdeckt, als eine Ausdrucksmöglichkeit für mich, 
[...] in seinen Resultaten ist das Fotografieren genauso unbestechlich 
wie ein literarischer Text, es ist als Foto Ausdruck für schlecht, gut, 
oberflächlich, Wahrheit, Unwissenheit, Dilettantismus.« so die 
Künstlerin selbst in einem Gespräch mit der ein Kunst- und 
Fotohistorikerin Franziska Schmidt 2019. Stötzer entwickelte eine 
eigenwillige Form der Bildsprache, welche die Fotografie als 
konzeptuelle Kunstform ausweist. In der seriellen Reihung der Motive 
folgt sie den Prinzipien der zeitgenössischen Kunst als Bild- und 
Zeichensystem.“ (zit. nach Franziska Schmidt, Gabriele Stötzer, Ich-Körper, in: Camera Austria, Nr. 148, 2019, S.32-34)
Die
 Ausstellung findet im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie 
Berlin 2020 statt, wurde von Konstantin Bayer & Bianka Voigt 
kuratiert und ist in Zusammenarbeit mit der GfZK, der Galerie für 
Zeitgenössische Kunst Leipzig, sowie mit freundlicher Unterstützung der 
Galerie Loock Berlin entstanden.
BIOGRAFIEN
Gabriele Stötzer
 1953 geboren in Emleben, 3 Geschwister, 1973 Heirat mit D. Kachold und 
Studium Deutsch/Kunst an der Pädagogischen Hochschule Erfurt, 1976 
politische Exmatrikulation vom Studium, 1977 ein Jahr politische Haft im
 Frauenzuchthaus Hoheneck, danach Sachbearbeiterin in einer Schuhfabrik,
 1979 Scheidung, 1980 Kündigung und Übernahme der privaten Galerie im 
Flur, Erfurt; 1981 deren Liquidierung durch die Staatssicherheit, 1981 
beginn der performativen Fotografie in der DDR (mit Cornelia Schleime), 
1982 Super-8-Filme, Veröffentlichung in Untergrundzeitschriften der 
Prenzlauer Berg Szene, ab 1984 Mode-Objektshows, Super 8-Filme und 
Performances mit Erfurter Künstlerinnengruppe Exterra XX, 1989 
Mitgründerin Frauen für Veränderung, Mitinitiatorin der ersten Besetzung
 der Staatssicherheit der DDR in Erfurt am 4.12.89, 1990 Annahme des 
Mädchennamens Stötzer, seit 1990 Veröffentlichung von 8 Büchern, ab 2010
 Dozentin für Performance-Blockseminare an der Universität Erfurt, 2011 
und 2013 Features für mdr über Hoheneck und Zwangsadoption in der DDR, 
Auftritte mit EFIM Ensemble für intuitive Musik, 2013 
Bundesverdienstkreuz. 
Ausstellungen (Auswahl ab 1996): boheme und diktatur in der ddr (2009), re.act.feminism (2013), Schwingungskurve Leben Klassik Stiftung Weimar (2013), Zwischen Ausstieg und Aktion Kunsthalle Erfurt (2016), Gegenbilder Gropius Bau Berlin (2018), Gerissene Fäden Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst Cottbus (2018), medea muckt auf Staatliche Kunstsammlungen Dresden und Wendemuseum Los Angeles (2019) East german photography Fotofestival Arles (2019), Bewußtes Unvermögen – Das Archiv Gabriele Stötzer Galerie für Zeitgenössische Kunst  Leipzig (2019-2020) 
Paula Gehrmann
 (1982 in Berlin-Friedrichshain geboren) nach einer Ausbildung als 
Fotografin in Berlin diplomierte sie in Bildender Kunst an der 
Hochschule für Grafik- und Buchkunst Leipzig, bei Professor Joachim 
Brohm. Die Praxis der Leipziger Künstlerin Paula Gehrmann gründet in 
einer Fotografie, deren Wirklichkeit sich meist in ortsgebundenen 
Installationen findet. Durch eine Öffnung und Beschreibung von Räumen, 
die gezielte Arbeit in Kooperationen, sowie das Hinterfragen gängiger 
fotografischer Dokumentation und Repräsentation sind bedeutend für ihre 
Arbeit. Diese Performanz fordert eine Aktivierung von dem Betrachter und
 formt damit entscheidend das Werk Gehrmanns, deren Engagement zu einer 
Mitautorenschaft der kulturellen und sozialen Situationen und Räume, mit
 denen die Künstlerin in Berührung kommt, provoziert.
Berlin
02.10.2020 - 31.10.2020 
    WERK UND FORTSETZUNG – Gabriele Stötzer und Paula Gehrmann
Ort EIGENHEIM Berlin, Kantstraße 28, 10623 Berlin 
Vernissage 02.10.2020 ab 19 Uhr 
Dauer 03.10. bis zum 31.10.2020 
Künstlerabend 03.10.2020 ab 19 Uhr –  Lese-Konzert Deutschland von Innen,
 mit Texten von Gabriele Stötzer, Musik: Duo Klang-Zeichen (Daniel 
Hoffmann, Trompete/Flügelhorn; Michael von Hintzenstern, Harmonium) 
Künstlergespräch 23.10.2020 um 19 Uhr – Gabriele Stötzer und Paula Gehrmann im Gespräch mit Bianka Voigt
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